Die gebürtige Ukrainerin Vlada Brelenko ist Social Media Managerin des Caritasverbandes Düsseldorf. Seit 22 Jahren lebt sie in Deutschland. Ihre Großeltern, Tanten und Onkel, sind noch in der Ukraine – in Dnipropetrovsk, ganz im Osten des Landes. Dort, sagt sie, ertöne mehrmals am Tag Luftalarm und die Angst, dass es auch den Menschen in Dnipropetrovsk bald so ergehe wie den Bewohnern Mariupols, sei riesig. Vlada Brelenko unterstützt und übersetzt derzeit für die Geflüchteten, die im Klara-Gase-Haus, einem ehemaligen Altenheim der Caritas in Düsseldorf, leben. Die Unterkunft war ursprünglich mit 80 Plätze geplant, es sind aber mittlerweile 103 Personen dort untergekommen, darunter 45 Kinder.
Welchen Eindruck hattest du von den Menschen, als sie vor einigen Tagen in der Notunterkunft ankamen?
Als die Menschen am 4. März vor unserem Haus ausstiegen, schaute ich in viele sehr erschöpfte und ratlose Gesichter. Größtenteils sind es jüngere Frauen mit Kindern. Die Menschen hatten sehr wenig Gepäck bei sich und waren teilweise bis zu vier Tage lang unterwegs – meist ohne genauen Plan, wohin die Flucht gehen würde. Sie wollten einfach nur raus aus der Ukraine in Richtung Sicherheit. Der Eindruck, den ich in den ersten Tagen hatte, ist, dass die Menschen sehr dankbar sind. Sie nehmen es nicht als selbstverständlich hin, wie ihnen geholfen wird und sagen das auch immer wieder. Sie sagen auch, dass sie nicht lange bleiben und zurück in ihre Heimat möchten.
Sind auch Männer unter den Geflüchteten?
Einige wenige, ja. Sie kommen aus Drittstaaten, durften die Ukraine also verlassen.
Du stammst selbst aus der Ukraine, konntest dich also sofort mit den Gästen verständigen. Inwieweit hat das Vertrauen geschaffen?
Ich bin mit sieben Jahren mit meiner Familie aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Die ersten Wochen und Monate haben wir ähnlich gelebt wie die Geflüchteten heute, wir waren in einem Auffanglager in der Nähe von Dortmund. Als ich das erste Mal das Klara-Gase-Haus betrat, habe ich mich sofort an damals erinnert. Die Menschen fragten mich oft, woher ich komme und wie lange ich schon in Deutschland lebe. Wenn ich ihnen erzählte, dass ich auch in der Ukraine geboren bin, entsteht sofort Vertrauen, die Hemmschwelle war sofort weg.
Viele der Ukrainerinnen mussten ihre Ehemänner und Partner zurücklassen. Wie ist dein Eindruck – können sie sich überhaupt auf ihre neue Umgebung einlassen oder überwiegt die Sorge um die Angehörigen?
Die starke Sorge um die zurückgelassenen Ehemänner, Brüder, Väter und Onkel ist bei den Ukrainerinnen allgegenwärtig. Ich kann nicht behaupten, dass sie sich zu hundert Prozent auf die neue Umgebung einlassen können, weil sie weiterhin natürlich mit Ihrem Herzen bei ihren Liebsten in der Ukraine sind und die Sorgen um sie einfach sehr groß sind.
Gab es eine Situation, die dir nachhaltig in Erinnerung geblieben ist?
Es gab so viele emotionale und berührende Momente… Einer davon war, als eine Bewohnerin, die mit Tränen in den Augen unsere Einrichtungsleitung Lioba Gamm umarmte und sich mit den Worten: „Vielen Dank, dass wir hier sein können, sie retten unser Leben!“ bedankte. Da hatte ich auch sofort Tränen in den Augen und spürte die Dankbarkeit unmittelbar.
Was benötigen die Menschen in der Notunterkunft jetzt am dringendsten?
Durch all die großzügigen Spenden von Unternehmen wie Ikea, Bett1, EmmaOne, DM, Henkel, Share oder auch Vodafone konnten wir die Geflüchteten mit allen lebensnotwendigen Dingen versorgen. Viele weitere Spenden kamen von unseren Caritas-Kolleg_innen oder auch von Menschen, die in der Pfarrgemeinde gesammelt haben. Die Geflüchteten können auch kostenfrei in unserem Sozialkaufhaus Wertvoll, das nur einige Straßen weiter liegt, einkaufen und sich so mit dem Nötigsten an Kleidung oder Haushaltsgegenständen eindecken. Neben den wichtigen Sachspenden benötigen die Menschen natürlich medizinische und pflegerische Hilfe, psychologische Unterstützung und Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen und anderen Formalitäten – das können wir alles innerhalb des Caritasverbandes leisten. Wichtig ist aber auch, dass die Kinder bald in die Kita und die Schule gehen können.
Das Interview führte Markus Harmann.