Folgen der Flutkatastrophe: „Ewig durchhalten tun wir nicht“

29.09.21, 12:56
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Pia Klinkhammer

Rodger Ody ist Fachbereichsleiter des sozial-psychiatrischen Zentrums des SKM im Rhein-Erft-Kreis. Er und sein Team bieten Unterstützung für Menschen mit psychischen Belastungen an. Seit der Hochwasser-Katastrophe gilt das vor allem für Flutopfer: Vom Antragstellen für Soforthilfe bis hin zur Trauma-Therapie ist das Team fast rund um die Uhr im Einsatz. Über die Hilfseinsätze haben wir mit ihm gesprochen.

Wie hat sich die Flut-Katastrophe auf die Psyche der Menschen ausgewirkt?

Rodger Ody: Viele Menschen in der Region sind schwer getroffen: emotional, organisatorisch und natürlich auch finanziell. Wer vorher schon hoch belastet war – z.B. durch Krankheit oder Corona – ist jetzt arg gefährdet. Die Psyche sagt: „Es reicht“. Was ich erlebe, auch selber, ist reger Stress. Man wird quasi retraumatisiert, man träumt von Wasser oder wird regelrecht unruhig bei Regen oder schon bei Regenmeldungen. Das schildert fast jeder, mit dem ich spreche. Langsam werden die Menschen auch körperlich kaputt, einige haben überhaupt keine Energie mehr. Aber ehrlich gesagt: Viele sind einfach noch im Katastrophenmodus. 

Wie gehen Kinder, ältere Menschen und Personen mit psychischen Vorbelastungen mit der Krise um?

Kinder haben häufig Angst. Es fehlt Sicherheit – und konkret fehlt jetzt die Schule, der Kindergarten, der Sportverein. Ältere Menschen haben häufig ihre ganzen gegenständlichen Erinnerungen verloren, ihr Lebenswerk ist weg - oder kaputt und unbewohnbar. Wir beobachten depressive Symptome und wie bei allen das Gefühl der fehlenden Sicherheit und der Überforderung. Ich erlebe Familie, Verwandte, Freunde und Nachbarn hier als enorm wichtige Stabilisatoren. Personen mit einer psychischen Vorbelastung erleben das alles auch in ähnlicher Art und Weise, nur eben noch stärker. Die Gefahr, dass sie in eine Krise geraten, ist enorm hoch.

Haben Sie das Gefühl, dass die betroffenen Menschen die Hilfe, die sie brauchen, auch erhalten? Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Die Hilfsbereitschaft ist und war enorm und wird sehr positiv erlebt – ebenso die Spendenbereitschaft. Die Trauma-Hilfe wird langsam angenommen. Noch haben viele keine Zeit dafür. Soforthilfe in Form von Geld ist gut und wichtig, wenn sie unbürokratische ausgezahlt wird. Was den Leuten noch fehlt, sind langfristige Perspektiven.

Wie groß war die Belastung für Sie und Ihr Team?

Etwa ein Drittel der Mitarbeitenden ist selbst mehr oder weniger betroffen. Insofern ist die Belastung sehr unterschiedlich. Vom Traumatisierungsthema „Regen“ haben wir auch nach der Arbeit nicht Feierabend. Die Grenzen sind da sehr fließend und man muss auf sich aufpassen.

Da die Autobahn kaputt ist, weiter Straßen gesperrt sind, die Bahn bisher nicht fährt und der Verkehr enorm ist, sind alle ambulanten Dienste enorm belastet und ständig in Terminhetze, da der Kostendruck natürlich bleibt. Dazu kommt ein großer Redebedarf bei den Klienten. Wir alle machen das gerne und ich finde das auch sehr gut – aber ewig durchhalten tun wir nicht.

 

Das Gespräch führte Emma Adolphs.

Rodger Ody (c) SKM Rhein Erft Kreis

 

 

Rodger Ody ist Fachbereichsleiter des sozial-psychiatrischen Zentrums des SKM im Rhein-Erft-Kreis. Er und sein Team bieten Unterstützung für Menschen mit psychischen Belastungen an.