„Wir sind noch mitten in der Katastrophe“

29.09.21, 11:40
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Pia Klinkhammer
Familie Bendermacher (c) DiCV / privat

Der braune Schlamm ist inzwischen weggespült, die Bodenfliesen herausgeschlagen, der Estrich freigelegt. Nur das Brummen der Bautrockner und der erdig muffige Geruch füllt die Luft des leeren Erdgeschosses. Die Stimme von Gisa Bendermacher klingt traurig, als sie sagt: „Ich bin bisher sehr glücklich hier gewesen – ich hoffe das kommt wieder.“ Sie und ihre vierköpfige Familie kommen aus Blessem, dem Stadtteil in Erftstadt, der mit am schwersten von der Flutkatstrophe getroffen wurde.

Das Wasser stand im Hof der Familie – zuerst knöcheltief – bis es dann schlagartig anstieg. „Es kam aus allen Ecken“, sagt Bendermacher. Trotzdem entschied sich die Familie zu bleiben, wegen der 76-jährigen pflegebedürftigen Oma. Im Haus der Großmutter stand das Wasser am Ende anderthalb Meter hoch, im Haus von Gisas Familie einen halben Meter. Zeit zu überlegen gab es ab diesem Moment keine mehr: „Wenn wir noch irgendetwas retten wollten, dann jetzt“, so Bendermacher. Am Freitagmoren wurden die ganze Familie schließlich evakuiert - mit dem Hund auf dem Arm und den Kindern huckepack.

Wie es weiter geht, das weiß im Haus Bendermacher niemand so ganz genau. Im Erdgeschoss stand sieben Tage lang das Wasser – und der Matsch. „Im Grunde genommen ist nicht viel mehr als ein Rohbau übriggeblieben, alle Möbel sind hinüber, die Heizung kaputt. Das ist natürlich auch finanziell ein Problem“, sagt die zweifache Mutter. Über eine WhatsApp Gruppe fanden sich Freunde, Familie und sogar Fremde, um die Bendermachers zu unterstützen. Die Dorfgemeinschaft und die Kirchengemeinde sammelten 2.500 Euro für die Familie. Die 200 Euro Soforthilfe pro Person waren bereits nach vier Tagen da – genauso wie die ungefähr 3.000 Euro von der Stadt. Bendermacher erklärt: „Das meiste wird für den Umbau des Hauses der Oma ausgegeben, deren kleine Rente reicht dafür nicht“.  

Das Geld ist wichtig. Es ersetzt materielle Schäden von Hab und Gut. Was aber nicht so einfach zu ersetzen ist, ist das Gefühl von Heimat und Sicherheit. Ihr Zuhause, das Erbe ihrer Kinder ist es, was Familie Bendermacher in den Flutmassen verloren hat. „Wir sind sehr traurig“, sagt die 47- Jährige. Die Erkenntnis, dass man das allein nicht schaffen kann, ist hart. Dazu das Gefühl, dass es nicht enden will, die Überforderung. Gisas Motivation: „Man tut es für die Kinder.“ Die psychische Belastung ist hoch, auch die der Kinder: „Jeder hatte mal einen Nervenzusammenbruch“, sagt Gisa. Positiv überrascht habe sie die Kirche. Viele Gespräche mit dem Pfarrer vor Ort schenkten Trost und Zuversicht.

„Nicht vergessen werden“, das wünscht sich die zweifache Mutter. Gerade herrscht Stillstand bei den Baumaßnahmen, bei ihnen auf dem Hof und in der Stadt. Bislang ist nur der gröbste, oberflächige Schmutz beseitigt, die Straßen grob gereinigt, die kaputten Möbel entsorgt. „Je länger die Flut zurückliegt, desto weniger Menschen sind unterwegs.“, sagt Bendermacher. Doch der Wiederaufbau für die Betroffenen, wie Familie Bendermacher, geht jetzt erst richtig los.

Emma Adolphs

Familie Bendermacher (c) DiCV / privat

"Nicht vergessen werden"

Die 4-köpfige Familie Bendermacher aus Erftstadt-Blessem hat bei der Flutkatastrophe fast alles verloren.