Digitale Teilhabe: „So wichtig wie Brille oder Schuhe“

15.07.21, 10:50
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Pia Klinkhammer

Freie Wohlfahrtspflege NRW: Netzzugang und digitales Know-how sind existenziell. Ämter müssen erreichbar sein

Digitale Teilhabe (c) Pixabay

Köln. Arme und benachteiligte Menschen dürfen nicht zu den Verlierern der Digitalisierung werden – das fordert die Freie Wohlfahrtspflege NRW. „Wer über Einkommen und über Computer, Smartphones, WLAN und digitale Kompetenzen verfügt, der hatte es leichter in den vergangenen Monaten“, sagte der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Freie Wohlfahrtpflege NRW und Kölner Diözesan-Caritasdirektor Dr. Frank Johannes Hensel auf dem Treffen von Menschen mit Armutserfahrung im Kölner Diözesan-Caritasverband. 

Die Chancen der Digitalisierung seien riesig, sagte Hensel, und warnte zugleich vor der Gefahr, „dass diejenigen, die nicht mithalten können, weiter ins Abseits geraten“. Es müssten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die soziale Ungleichheiten abbauen. Digitale Geräte und Netzzugang seien existentiell für gesellschaftliche Teilhabe. „Sie werden so wichtig wie eine Brille oder Schuhe“, so Hensel. Der Staat müsse Sorge tragen für Ausstattung und Befähigung, das gehöre zur grundgesetzlich verankerten Sicherstellung des Existenzminimums. Es habe sich in der Pandemie bestätigt, dass der Digitalisierungsgrad vom Schul- und Berufsabschluss und vom Einkommen abhängig sei. 

Hensel kritisierte auch das behördliche Handeln in Corona-Zeiten, wenn im Krisenmodus ausschließlich auf digitale und telefonische Erreichbarkeiten umgeschaltet wurde, dabei aber diejenigen vergessen wurden, die dem nicht folgen konnten. Hensel: „Jobcenter und überhaupt Ämter waren teilweise sehr schwer zu erreichen – kaum eine Chance, Anträge und Missverständnisse zu klären. Andere wiederum haben das besser hinbekommen. Es ist einfach total schwierig, seine Existenz nur per Telefon oder Mailverkehr sichern zu müssen. Mit den dadurch bedingten Unsicherheiten und Ängsten mussten und müssen viele allein zurechtkommen“, so Hensel.

Wenn immer mehr Verwaltungsabläufe digitalisiert würden – wie es auch das Onlinezugangsgesetz vorsehe – müsse dennoch sichergestellt bleiben, dass Anträge auch persönlich abgegeben werden können. „Mit der Digitalisierung dürfen keine weiteren Barrieren hochgezogen werden, die die Erreichbarkeit von gesetzlichen Leistungen erschweren. Es muss weiterhin die Gelegenheit geben, ein Anliegen von Angesicht zu Angesicht zu besprechen“, fordert der LAG-Vorsitzende. 

Das Treffen von Menschen mit Armutserfahrung fand bereits zum vierten Mal statt. Die Veranstaltung der LAG Freie Wohlfahrtspflege NRW bringt Menschen mit geringem Einkommen und Armutserfahrung sowie Expertinnen und Experten aus Verwaltung und Verbänden zusammen, die sich unter dem Motto #dadrücktderschuh über Schwierigkeiten und Chancen digitaler Teilhabe austauschen.

Weitere Infos: www.freiewohlfahrtspflege-nrw.de/veranstaltungen