„Das war eine großartige Gemeinschaftsleistung“

19.08.21, 12:15
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Pia Klinkhammer

Interview mit Carsten Düppengießer / Caritasverband Euskirchen

(c) Caritasverband Euskirchen / Düppengießer

Welches Ausmaß hat die Flutkatastrophe in der Region Euskirchen?

Düppengießer: Sie hat noch immer massive Auswirkungen. Menschen haben buchstäblich alles verloren, mussten aus ihren Häusern ausziehen und stehen nun vor den Trümmern ihrer Existenz. Auch die öffentliche Infrastruktur wurde vielerorts hart getroffen – Straßen, Bahnlinien, Kindergärten oder Schulen wurden stark beschädigt. Um sich die Dimensionen vor Augen zu führen, helfen vielleicht einige Zahlen: Die vorläufige Schätzung der Schadenshöhe für den Kreis Euskirchen beläuft sich auf über 850 Millionen Euro - und das sind ausschließlich kommunale Schäden. Das DRK hat ein Zentrallager für Hilfsmittel für 75.000 Menschen eingerichtet – bei einer Kreisbevölkerung von 192.000 Menschen. Die Kommunen rechnen in ersten Wiederaufbauplänen mit einem Zeithorizont von fünf Jahren.

Auf welche Menschen trafen Sie vor Ort?

Düppengießer: Es haben so unheimlich viele Menschen mitangepackt – alles, was bisher geschafft wurde, war eine großartige Gemeinschaftsleistung. Ich wohne in Schleiden und bin – wie viele andere dort auch – von der Flut betroffen. Am Wochenende nach dem Hochwasser waren auf einmal unheimlich viele freiwillige Helfer und Helferinnen mit schwerem Gerät im Stadtgebiet unterwegs. Zwei Männer aus Bayern haben ohne zu fragen meinen Keller leergepumpt, andere dann den Sperrmüll zum Sammelplatz gefahren.

Auch viele Dienste und Einrichtungen unseres Verbandes wurden hart getroffen. Ab Tag eins nach der Flut haben Kollegen und Kolleginnen die Einrichtungen von Wasser und Schlamm befreit. Danach wurden wir von einer riesigen Welle der Hilfsbereitschaft getragen. Caritas International, der Diözesan-Caritasverband Köln sowie Orts-Caritasverbände aus ganz Deutschland haben uns u.a. unterstützt – mit Hilfsgütern, technischem Gerät und vor allem mit Menschen, die mitangepackt haben.

Wir trafen aber auch auf Menschen, die verzweifelt, traumatisiert und mit der Situation überfordert waren. Bereits in der zweiten Woche nach dem Hochwasser haben wir an unseren Einrichtungen eine Ausgabestelle für Sachspenden in unserem Jugendzentrum eingerichtet und haben begonnen, Soforthilfen von Caritas International auszuzahlen. Wir konnten auch ein Angebot für Entlastungsgespräche aufbauen.

Wie sieht das Angebot der Euskirchener Caritas-Dienste und -Einrichtungen aktuell aus?

Düppengießer: Die, die nicht von der Flut betroffen waren, konnten trotz Stromausfalls im Regelbetrieb arbeiten. Für schwer betroffene Häuser konnten wir Übergangslösungen finden. So hat uns die Diakonie Euskirchen Räume zur Verfügung gestellt, z.B. für unsere Migrations- und Flüchtlingsberatung sowie Schwangerschafts- und Kurberatungsstelle. Da unsere Seniorentagespflege ebenfalls zerstört ist, haben wir in den Räumen unserer Hospiz- und Demenzhilfe eine Notbetreuung für unsere Gäste eingerichtet. Wichtig ist auch, dass unsere Ambulanten Pflegedienste trotz überfluteter Pflegestation durchgehend unsere Patienten versorgen konnten. Wir mussten – bis auf unser Möbellager – keinen unserer Dienste schließen oder einstellen.

 

Das Interview führte Marco Eschenbach.

 

Carsten Düppengießer (c) Caritas Euskirchen

 

 

Carsten Düppengießer (links) ist Mitarbeiter beim Caritasverband Euskirchen und hat in der Not nach der Flut jeden Tag beim Aufräumen mitangepackt, Hilfen organisiert und sich selbst und anderen Betroffenen Mut zugesprochen.