Maria Tippkämper

„Man weiß ja nie, was noch kommt. Und deshalb muss ich schick sein.“

Maria Tippkämper, geboren am 14. Januar 1908, blieb selbst zu DDR-Zeiten immer optimistisch. Mit weit über 80 zog sie aus dem Osten Berlins ins Bergische Land.

Maria Tippkämper ahnte, dass sie sehr alt werden würde. Im Juli 1989, vier Monate vor der Wende, floh ihre Tochter Marion aus der DDR. Frau Tippkämper und ihr Mann Gerhard blieben in Ostberlin zurück. Zu ihrer Tochter sagte die damals 81-Jährige: „Geh ruhig, wir kommen nach. Irgendwann.“ An den Mauerfall im Herbst 1989 glaubte sie damals zwar nicht. Aber sie war überzeugt, dass schon irgendwie alles gut gehen würde. Wie ja fast immer alles gut gegangen ist in ihrem langen Leben, das im Januar 1908 in Essen-Frintrop begann und hinter der Berliner Mauer zu enden drohte. Heute lebt die Tochter eines Lokführers und einer Hausfrau im Bergischen Land bei Köln, in einem Seniorenheim, in das sie erst mit 100 Jah-ren zog. Ihre Tochter Marion ist zwar nach wie vor durch Mauern getrennt, aber es sind nur einige Hausmauern. Marion wohnt zwei, drei Querstraßen weiter. Es wurde also alles gut.

Auf einer Rodelbahn in Essen lernte Maria Tippkämper Anfang der 30er-Jahre ihren Mann Gerhard kennen, einen hochgewachsenen, gut aussehenden Studenten und angehenden Brückenbauingenieur. Nebeneinander rutschten sie den Schneeberg hinunter, nicht ahnend, dass sie viele Jahre später immer wieder gemeinsam Berge erklimmen würden. „Wandern und bergsteigen, das war das, was wir am liebsten gemacht haben“, sagt sie.

Sie ärgert sich, dass es mit dem Laufen heute nicht mehr so gut klappt. In die Berge würde sie schon noch einmal gern. Ein kleiner Trost, dass ihr Arzt ihr immer wieder sage: „Ihre Knie, Frau Tippkämper, sind einige Jahrzehnte jünger als Sie.“

Gerhard war die Liebe ihres Lebens. „Ich wäre ihm überallhin gefolgt“, sagt sie und war doch ganz froh, dass es nicht die weite Welt wurde, sondern nur Berlin. Sie heirateten am 14. August 1936, während der Olympischen Propagandaspiele. Ihr Mann arbeitete im Reichsluftfahrtministerium, und wohl auch deshalb genoss das Ehepaar einige Privilegien. Die Wohnung in Berlin-Niederschöneweide hatte Zentralheizung, warmes Wasser und ein Telefon. Dank des Telefons und der guten Verbindungen ihres Mannes „wurden wir immer ein bisschen früher über die Bombenangriffe informiert“. Trotzdem waren sie nicht die Ersten im Bunker am Bahnhof Schöneweide.

Das lag an der damals sechsjährigen Tochter Marion, meint Frau Tippkämper: „Die wollte nur mit runter, wenn sie perfekt angezogen und ihr Koffer gepackt war. Mein Gott, war die penibel. Ist sie bis heute.“ Während sie das erzählt, beugt sich Maria Tippkämper weit aus ihrem Rollstuhl heraus und lässt sich dann prustend zurückfallen. Die Erinnerung hat ihren Schrecken verloren.“